Hi Folks,
nachfolgenden Text habe ich bereits in Chris' Thread im Canopusforum gepostet. Da aber u.U. dort 'untergeht' und die folgende Thematik auch für einige andere Videoschnipsler interessant sein könnte, gibt's das Kochrezept für eine erfolgreiche Schallplattenrestauration hier noch mal separat in der Trickkiste.
Nachfolgendes Prozedere ist das Ergebnis wochenlanger Auseinandersetzung mit dem Versuch, 15 mir unverzichtbare (auf CD nicht erhältliche) Vinylschätze möglichst optimal der Nachwelt zu erhalten. Ich will Euch nicht den Wind aus den Segeln nehmen, aber Schallplattenrestauration ist eine sehr zeitaufwendige Angelegenheit. Mindestens einen bis zwei Tage sollte man für eine LP veranschlagen. Um maximale Ausgangsqualität zu gewährleisten, nur den besten greifbaren Plattenspieler nehmen (Direktantrieb ist besser als Riemen - die können nach langer Pause des Spielers ausgeleiert und brüchig sein!) und vor allen Dingen: Platten naß abspielen - und wenn es nur für dieses eine, letzte Mal ist! Neben fertig erhältlichen Flüssigkeiten hat sich besonders 30% Isopropylalkohol mit geringem Zusatz Netzmittel (aus dem fotografischen Bereich - kein Spüli!) bewährt. Naßläuferarme soll es u.a. noch bei CONRAD geben?!
Nachfolgend habe ich die von mir verwendeten Programme und PlugIns aufgelistet. WaveLab sollte in der Vollversion vorliegen (die Lite gestattet, glaube ich, nur die Verwendung einer begrenzeten Auswahl von Filtern). Die anderen Tools sind die Quintessenz einer ganzen Reihe anderer Programme, die ich auf ihre Verwendbarkeit 'abgeklopft' habe. Sicher, jeder hat seine Vorlieben, und Andere haben mit anderen Programmen bessere Erfahrungen gemacht. Eine besonders ergiebige Quelle für Links und die Beschreibung der Verfahren mit anderen Tools stellt diese Seite dar: http://www.joergei.de/lp2cd/index.html. Die Bezugsquellen für die folgenden Programme findet Ihr mit einiger Phantasie unschwer über Google und andere Esel ! Die von mir speziell verwendeten PlugIns sind unterstrichen.
Wavelab 4.00c (besser noch: Update auf 'd', weil deutsche Online-Hife)
........als Bestandteil von WaveLab: VST-PlugIn StereoExpander
........separat: Steinberg DeClicker 1.21
Sonic Foundry Noise Reduction DirectX Plug-In
........Noise Reduction , Click Removal & Vinyl Restoration
........separat: Sonic Foundry Graphic EQ
Waves Restoration Bundle 1.0
........X-Noise, X-Click , X-Crackle & X-Hum
Feurio Audio Brenner 1.65
Verfahren:
1. Eine komplette LP durchgängig (bei Seitenwechsel: Pausentaste) in WaveLab capturen. Auf möglichst gleichmäßige Aussteuerung der beiden Stereokanäle achten. Sorgfältige Voraussteuerungskontrolle durch Anfahren der lautesten Musikpassagen. Den max. Pegel möglichst bis auf -1 bis -0.5 dB (aber keinesfalls über 0 dB!!) einstellen. Für eine optimale Beurteilung des Klangs empfiehlt sich in allen Bearbeitungsstufen die Verwendung eines guten Kopfhörers!
2. Wenn das Capturen abgeschlossen ist, in der Timeline alles markieren und WaveLab eine 'globale Analyse' durchführen lassen. Hierbei besonders auf den 'RMS-Pegel' achten. Er sollte sich bei guter Kanalgleichheit auf etwa gleichen dB-Werten befinden. Ansonsten den schwächeren Kanal über Pegelanpassung anheben.
3. Unter 'Effects' in Wavelab zwei Filter setzen. Erstens: Entklicken! Dafür kommt entweder der Waves X-Click in Frage, oder Steinbergs DeClicker. Beide Filter verhalten sich gegenüber stark 'sägezahnhaltiger' Musik (Bläser, bzw. bestimmte Synthisounds) recht unterschiedlich. Waves ist der bessere Entklicker, neigt aber dazu, Sägezahnspitzen als Klicks zu interpretieren und sie zu kappen. Fragliche Passagen besonders sorgfältig probehören und auch mal das Audiosignal ausblenden und nur die 'Differenz' anhören (dieses 'Differenzhören' gilt auch für die anderen Filter!). Gute Probier-Werte beim Waves sind: Treshold 10-30, Shape 50-60. Für Steinbergs DeClicker gilt: Treshold 80-90, DePlop 10, Quality 4, Mode Standard. Als zweiter Filter wird gleichzeitig Waves X-Crackle gesetzt. Werte sind recht unkritisch bei Treshold 50 und Reduction 50.
Anschließend hört man die gesamte Waveaufnahme in Echtzeit durch. Was die beiden oben gesetzten Filter an Klicks nicht automatisch entfernen, muß man manuell in Wavelab unter 'Wellenform wiederherstellen..' bearbeiten. Ganz schwere Fälle lassen sich, solange sie sich nur auf einer der beiden Stereospuren finden, durch Kopie des entsprechenden Parts von der 'heilen' Spur auf die Defekte überbrücken.
Ist man mit dem Ergebnis zufrieden, hat insbesondere auch noch mal auf Frequenzbeschneidungen durch die DeKlicker geachtet (s.o.), sollte man, sofern man manuelle Korrekturen vorgenommen hat, die Veränderungen nochmal speichern. (Wavelab neigt manchmal dazu, sich aufzuhängen, deswegen immer Zwischensicherungen!). Jetzt wendet man für diesen Schritt abschließend die beiden Click- und Crackle-Filter an, indem man eine Wave-Datei neuen Namens rendern läßt. Der Verzicht auf das Überschreiben der Vorversion läßt einem immer die Möglichkeit, alle Schritte zurückzugehen.
4. Jetzt kann es nicht schaden, das durch die vorherigen Filteroperationen u.U. etwas gedämpfte Material zu 'enhancen'. Gut macht sich als erster Filter im Effects-Fenster Steinbergs VST-PlugIn StereoExpander mit einem Wert von +10%. Hilfreich ist auch eine Anhebung der Höhen (Brilliance) mittels Sonic Foundrys DirectX-PlugIn Graphic Equalizer. Gut ausreichende Werte sind 1 dB bei 15k, 0.5 dB 10k und noch 0.2 dB bei 7.2k. Mehr nicht!
Wieder rendern, neue Datei anlegen, nächster Schritt:
5. Jetzt machen wir aus einem verrauschten Tapemaster eine glasklare Digitalaufnahme . Man kann dazu Waves X-Noise nehmen, ich bevorzuge nach vielen Versuchen Sonic Foundrys DirectX-PlugIn Noise Reduction. Alle Standardwerte unter 'General' kann man unverändert lassen. Wichtig ist ein Stück Grundrauschen aus der Wavedatei. Dazu eignet sich besonders der Vorlauf oder auch genügend lange Pausen (ca. 2-3 Sek. reichen) zwischen den Tracks. Man markiert den in Frage kommenden Bereich, und startet die Wiedergabe mittels der Loop-Funktion. Gleichzeitig setzt man das Häkchen bei 'Capture Noiseprint' im Filter und läßt ein paar Sekunden loopen. Anschließend ist das Rauschen (vorausgesetzt man hat eine typische Rauschsignatur gewählt) völlig verschwunden. Da aber auch dieser Filter dazu neigt, des Guten etwas zuviel zu tun, kann man beruhigt die erzielte Hüllkurve mittels des 'Down'-Buttons direkt über dem 'Noiseprint'-Häkchen um ca. 2-3 Steps absenken. Ein Kontrollhören sollte man an den leisen Ausklingpassagen der Tracks vornehmen. Wenn die leisesten Ausklänge nicht mehr blechern klingen und zum 'phasen' neigen, ist man im grünen Bereich. Wieder rendern, neue Datei anlegen - wir nähern uns dem Ende.
6. Letzte Dateiversion in der Timeline komplett markieren. 'Normalisieren...' wählen und die Gesamtlautstärke auf den Maximalwert 0 dB anheben. Anschließend nochmals eine 'globale Analyse' durchführen und hierbei besonderes Augenmerk auf den 'DC-Versatz' richten. Sollte dieser von 0% abweichen, noch eine DC-Versatz Korrektur durchführen. Datei speichern!
Sollte wider Erwarten trotz vorsichtiger Amwendung der Filter der Gesamteindruck etwas flach klingen, kann man mittels eines Hallfilters noch ein bißchen Räumlichkeit hinzufügen. Ich habe dies aber bei ca. 15 bearbeiteten LPs nur ein einziges Mal machen müssen.
7. Auftrennen der Tracks. Bislang haben wir die Datei bewußt in einem Stück gelassen, um alle Filter, insbesondere auch die Normalisierung global wirken lassen zu können. Dank der komfortablen 'Lupen'-Funktion (die auch schon bei der manuellen Klick-Korrektur gute Dienste geleistet hat) läßt sich die Wavedatei prima spreizen und wir können die Anfänge und Enden der Tracks auf den Sekundenbruchteil eingrenzen. WaveLab stellt mehrere Möglichkeiten der Trackseparation zur Verfügung - ich bevorzuge das ziehende Markieren mit gedrückter linker Maustaste. So lassen sich die Grenzen noch prima korrigieren. Unter 'Datei/Speichern spezial (Wave)/Auswahl speichern unter...' lassen sich nun die einzelnen Tracks auf die Festplatte kopieren. Bei Trackwechseln innerhalb von durchgängigen Stücken hilft das Setzen eines Markers in der Zeitleiste. Den folgenden Track kann man dann nahtlos markieren und kopieren.
Vor dem endgültigen Abschluß der Restauration steht noch ein letzten Probehören der einzelnen Tracks. Ist auch wirklich jeder Knackser erfaßt worden, hat man auch nichts übersehen (bzw. überhört) - nein?? Dann folgt:
8. der wirklich allerletzte Schritt: Einlesen der Tracks in Feurio. Die Pausen zwischen den Tracks kann man bei ca. 2 Sekunden lassen (es sei denn, daß Original verlangt nach anderen Werten). Für die durchgängigen Tracks (Liveaufnahmen, Konzeptalben o.ä.) die Standardpause mittels der Funktion 'Track linken' (rechte Maustaste) entfernen. Werk brennen - fertig!
Für mich hat sich die Mühe gelohnt. Das Ergebnis ist wirklich Spitze geworden und selbst bei kritischem Hören nimmt man nicht wahr, daß es sich nicht um Original CD-Aufnahmen handelt.
Und jetzt, viel Spaß und viel Geduld
ikarus