Onlinerecht
Hallo liebe Leser,
vielleicht hat der eine oder andere von Euch in der letzten commag ein wenig im Artikel zum Fotorecht
geschmökert. Damals ging es ja um die Frage der Rechte am Bild. Schauen wir uns heute einmal an, was
mit den Rechten der Personen ist, die auf dem Bild zu sehen sind.
Sehr wichtig für Fotografen ist es, nicht nur dafür zu sorgen, dass die Rechte an ihren Fotos von Dritten
nicht verletzt werden. Sie müssen sich auch darum Gedanken machen, nicht selbst durch und mit ihren
Bildern bzw. deren Veröffentlichung und Verbreitung die Rechte Dritter zu beeinträchtigen.
Die meisten Probleme treten bei der Abbildung von Menschen auf. Hier prallen häufig Interessen
aufeinander: da ist eine abgebildete Person mir ihrem Bild nicht zufrieden; da hat ein Modell inzwischen
geheiratet und ist „bürgerlich“ geworden, die vorher geschossenen freizügigen Bilder sind da peinlich;
da wird ein – eigentlich „nicht zusammengehörendes“ – Pärchen bei einer öffentlichen Veranstaltung auf
einem Bild festgehalten und ist nun in der Lokalpresse auch für die jeweiligen Ehepartner zu bewundern.
Die gesetzliche Regelung
Fragen im Zusammenhang der Abbildung von Personen regelt das „Gesetz betreffend das Urheberrecht an
Werken der bildenden Künste und der Photographie“, das KunstUrhG. Weil aus diesem – ohnehin nur noch
zum Teil geltenden – Gesetz für unsere Zwecke ohnehin nur zwei Paragraphen von gesteigertem Interesse
sind, kann es nicht schaden, sich an dieser Stelle einen Überblick über den Gesetzestext zu verschaffen.
Der ist gar nicht so furchtbar kompliziert, wie man vielleicht vermuten mag:
§ 22 KunstUrhG
Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt
werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, dass er sich abbilden
ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren
der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der
überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte
oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.
§ 23 KunstUrhG
1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstiger
Örtlichkeit erscheinen;
3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten
Personen teilgenommen haben;
4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung
einem höheren Interesse der Kunst dient.
(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein
berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.
Das klingt an sich nicht unglaublich schwierig. Ist es eigentlich auch nicht. Allerdings ist zu bedenken,
dass das Gesetz aus dem Jahre 1907 stammt. Inzwischen haben ein Jahrhundert Rechtsprechung, das
Grundgesetz, eine praktisch runderneuerte Lehre vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht, die EU mit dem
Europäischen Gerichtshof und seiner prominentenfreundlichen Auslegung der Bildnisfreiheit, und nicht
zuletzt eine stürmische technologische Entwicklung viele Detailfragen geklärt, Unklarheiten beseitigt,
und teils auch ganz eigene Regeln aufgestellt, die sich so ohne weiteres nicht aus dem reinen Text des
KunstUrhG ergeben. Was genau also gestattet oder verbietet nun das KunstUrhG?
Um das zu verstehen, macht es Sinn, sich zunächst zu vergegenwärtigen, wie das Gesetz funktioniert.
Hierzu macht dessen Lektüre Sinn, die „Architektur“ des Gesetzes, das „Prüfschema“ wird dann nämlich
recht schnell deutlich:
1. Ist das Gesetz überhaupt anwendbar, liegt ein „Bildnis“ eines „Abgebildeten“ i.S. des § 22
KunstUrhG vor?
2. Wenn ja: Hat der Abgebildete nach § 22 KunstUrhG in seine Abbildung eingewilligt?
3. Falls nein: Ist die Einwilligung nach den Ausnahmeregeln des § 23 Abs. I KunstUrhG entbehrlich?
4. Selbst wenn „an sich“ eine solche Ausnahme einschlägig ist, werden dennoch besondere
Interessen des Abgebildeten verletzt, auf die nach § 23 Ans. II KunstUrhG Rücksicht zu nehmen
wäre?
Schwer prognostizierbar und zudem gerade derzeit im Umbruch begriffen ist dabei vor allem der letzte
Punkt. Dankenswerterweise interessiert das vor allem solche Fotografen, denen immerzu Prominente und
Stars samt Familie vor die Linse laufen. Normalsterbliche können auf relativ klare und gefestigte Regeln
bauen. Im Einzelnen:
Bildnis eines Abgebildeten, § 22 KunstUrhG
Dieses Kriterium kann man relativ platt mit „Erkennbarkeit“ übersetzen. Dabei darf dies nicht mit „das
Gesicht ist abgebildet“ verwechselt werden. Erkennbarkeit ist auch dann gegeben, wenn sonstige
Merkmale – etwa die Körperhaltung, bestimmte – gerade auf den Abgebildeten hindeutende –
Kleidungsstücke oder Accessoires (etwa der Fächer bei älteren Bildern von Karl Lagerfeld) oder auch die
Umgebung auf eine bestimmte Person schließen lassen. Es ist an dieser Stelle auch nicht erheblich, ob die
Person allgemein bekannt ist oder nur von einem begrenzten Personenkreis identifiziert werden könnte.
Achtung! Daraus folgt recht zwanglos, dass es zur Vermeidung von Erkennbarkeit in aller Regel nicht
ausreicht, Abgebildete auf Fotos mit dem notorischen „schwarzen Balken“ zu versehen.
In Situationen, in denen man meint, mit einem solchen Balken oder ähnlichen Retuschen ein Bild „retten“
zu können sollte man sich im Übrigen kurz die Frage stellen, ob man ein solches Bild überhaupt haben
darf.
Einer der Punkte, die auffallen, wenn man den Text des KunstUrhG liest, ist, dass dort immer nur die
Rede von „Verbreitung und Zurschaustellung“ von Bildnissen ist. Man könnte also auf den Gedanken
verfallen, dass das Herstellen der Bilder als solches, das Fotografieren frei ist, nur eben die Nutzung der
angefertigten Bildnisse beschränkt wird. Genau dies ist aber einer der Punkte, in der die Rechtsprechung
den Gesetzestext inzwischen ergänzt. Es darf nämlich nicht sein, dass ein „Fotografenopfer“ sich ständig
darüber den Kopf zerbrechen muss, ob ein bestimmtes Bild nicht vielleicht doch noch veröffentlich wird;
dieses Damoklesschwert möchte man niemandem zumuten. Daher gilt: Wenn die Verbreitung und
Zurschaustellung verboten wäre, dann ist es (in aller Regel, gerade bei journalistischer Arbeit bestehen
PSD-Tutorials.de - Die PSD Community - März 2006 Seite 23
Ausnahmen) auch das Anfertigen der Bilder als solches.
Einwilligung des Abgebildeten, § 22 KunstUrhG
Liegt nach vorgesagtem ein Bildnis vor, dann benötigt der Fotograf grundsätzlich (zu den Ausnahmen
später) die Einwilligung des Abgebildeten für die Verbreitung (und in aller Regel auch schon für das
Anfertigen) des Bildnisses. Diese Einwilligung ist in § 22 KunstUrhG näher geregelt.
Was genau ist das?
Immer noch ein wenig gestritten wird um die genaue Rechtsnatur der Einwilligung. Im Ergebnis wenden
aber heutzutage die Rechtsprechung und auch die juristische Lehre die Regeln über so genannte
Willenserklärungen direkt oder jedenfalls analog auf die Einwilligung an.
Achtung! Das heißt insbesondere, dass man zur Erklärung der Einwilligung volljährig und bei Sinnen sein
muss, bei Minderjährigen müssen die Erziehungsberechtigten zustimmen. Irrt man sich über den Inhalt der
Erklärung, wird man getäuscht oder bedroht, so kann man die Erklärung anfechten.
Umfang
Die eigentlichen Probleme werfen aber in der Regel die Fragen nach dem Umfang (also der zeitlichen,
räumlichen und sachlichen Reichweite) der Einwilligung und ihrer Widerruflichkeit auf. Hier gelten folgende
drei Regeln:
· Auf der sicheren Seite ist man dann, wenn man den Umfang der Einwilligung im Detail aufzählt
(„spezifiziert“). Dabei kommt es – entgegen dem allgemeinen und teils auch unter Juristen verbreiteten
Glauben – nicht auf bestimmte Formeln an. Man kann das auch als Laie in ganz normalen Worten
beschreiben, etwa:
„Verwendung der Bilder gestattet als Illustration im Buch ‚Chad Kroskis Inspirationen im Wandel der Zeiten’
für alle deutschsprachigen Ausgaben“.
· Tut man das nicht, dann richtet sich der Umfang der Einwilligung nach dem mit ihr verfolgten Zweck
(„Zweckübertragung“).
Bsp: A macht ein Bild von B. Der konkrete Zweck der Verwendung wird zwar nicht schriftlich fixiert, das Bild
wird aber anlässlich eines Interviews für das Werk „Die Wegbereiter Chad Kroskis“ angefertigt. Dann ist die
Verwendung auch nur in diesem Werk gestattet.
· Gibt es dann noch Unklarheiten, gilt: im Zweifel für den Rechteinhaber.
Hier wird es häufig spannend in Fällen von Agenturfotos, bei denen die Rechte „an sich“ eingeräumt
(„gecleart“) sind: Ein Model wurde fotografiert, das Einstellen in den Agenturfundus sowie Verkauf und
auch kommerzielle Verwendung der Bilder sind kraft Model Release gestattet. Nun soll das Bild – das,
vielleicht für ein Plattencover oder ein Werbeposter für eine Party, ein recht lebensbejahendes (wenn auch
angekleidetes) Model zeigt - als Cover für eine Zeitschrift letztlich erotischen Inhalts verwendet werden.
Hier stellt sich die Frage, ob auch die Verwendung des Bildes in diesem Umfang von der allgemeinen
Einwilligung gedeckt ist oder ob es hier nicht einer spezielleren Einwilligung bedurft hätte. Es gibt leider
keine eindeutige Antwort auf diese Frage, vielmehr kann man beide Ansichten vertreten – und muss damit
rechnen, dass dies auch Gerichte tun. Auf der wirklich sicheren Seite ist man also nur, wenn man explizit
nachfragt.
PSD-Tutorials.de - Die PSD Community - März 2006 Seite 24
Widerruf der Einwilligung
Ein (leider) sehr häufiges Problem ist der Widerruf der Einwilligung.
Bsp: Ein Starlet hat vor Jahren Nacktfotos von sich anfertigen lassen, um eine gewisse
Grundaufmerksamkeit der Medien zu erlangen. Nun wird das Model seriös, heiratet einen bekannten
Schauspieler und gibt fortan die treusorgende Gattin. Da stören die Jugendsünden natürlich, die Medien
– vorher noch Verbündete beim Kampf um Aufmerksamkeit – werden nun zu Feinden. Sämtliche
Einwilligungen in die Nutzung von Nacktfotos werden widerrufen, die Anwälte der Dame verschicken
reihenweise Abmahnungen und drohen mit Schadenersatzforderungen.
Grundsätzlich ist die Einwilligung nicht frei widerruflich. Auch wenn ihre Rechtsnatur nicht völlig geklärt
ist, sie vor allem keinen Vertrag im eigentlichen Sinn darstellt, wendet man dennoch den guten alten
juristischen Grundsatz, dass Verträge eingehalten werden müssen („pacta sunt servanda“), auch auf die
Einwilligung an.
Andererseits gilt auch im Vertragsrecht bei den so genannten Dauerschuldverhältnissen der Grundsatz,
dass diese den Vertragspartner nicht ewig binden dürfen, man irgendwann „raus kommen“ muss. Also
muss auch eine Einwilligung irgendwann widerruflich sein. Das kommt unter zwei Gesichtspunkten in
Betracht.
Zum einen ist ein Widerruf beim Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich.
Bsp: A hat Nacktfotos von sich anfertigen lassen. Ihr Mann kommt tragisch ums Leben, sie zieht sich
vollständig ins Privatleben zurück. Hier wird man ihr nicht zumuten können, sich selbst demnächst in
einschlägigen Postillen nackt bewundern zu müssen, während sie um ihren Mann trauert.
Weiterhin kommt bei einem „Wandel der inneren Einstellung“ ein Widerruf in Betracht, ganz ähnlich wie
bei § 42 im Urheberrecht. Der „Wandel“ kann aber – da sind sich die Gerichte einig – nicht über Nacht
geschehen, ein gewisser Zeitablauf muss hinzutreten. Hinsichtlich der genauen Länge herrscht leider
weniger Einigkeit. Als Faustregel wird man sagen dürfen, dass vor Ablauf von fünf Jahren ein solcher
Einstellungswandel ausscheiden muss. Ausnahmen mag es bei echten Jugendsünden geben, wenn
bestimmte Aufnahmen deutlich kontrovers sind und das abgebildete Modell noch sehr jung war.
Zuletzt ist noch auf die Vermutung des § 22 Satz 2 KunstUrhG
hinzuweisen: Hat jemand für seine Abbildung ein Honorar erhalten,
so gilt die Einwilligung in die Verbreitung der Abbildungen im
Zweifel als erteilt. Fotografen sollten daher tunlichst Quittungen und
andere Belege aufheben. Leider sagt die Vermutung nur, dass eine
Einwilligung im Zweifel vorliegt, sie hilft aber bei der Auslegung zu
Reichweite und Umfang der Einwilligung nicht weiter. Sinnvoll sind also
allemal eindeutige Regelungen.
Der Autor:
Arne Trautmann ist Autor verschiedener juristischer Fachbücher
und Rechtsanwalt im Münchner Büro der SNP Rechtsanwälte
– Steuerberater – Wirtschaftsprüfer. Er berät Verlage, IT- und
Technologie-Unternehmen und sowie Werbe-, Event- und
Contentagenturen. Schwerpunkte seiner Tätigkeit bilden dabei die
Vertragsgestaltung, die rechtliche Strukturierung und Begleitung von
Geschäftsvorgängen sowie die gerichtliche und außergerichtliche
Vertretung der Mandanten.