Hallo,
erst einmal Hut ab vor dem Einsatz, sich ein so sperriges Thema wie Zeit vorzunehmen und hier zur Debatte zu stellen.
Gaaaanz subjektiv:
- Das Symbol für die Zeit, der Schlafzimmer-Wecker , ist als oft auftretender Bildhinweis für die Zeit nicht markant, nicht aussagekräftig genug. Er schaut zu wenig banal aus, um als generelles überzogenes Zeit-Symbol zu funktionieren und er ist gleichzeitig zu banal, um auf einem Schreibtisch zu stehen; dort gehört er nicht hin, ist ein Fremdkörper.
- Die Verzerrungseffekte würde ich komplett weglassen, sie wirken wie eine technischer Lückenfüller, als ob euch in diesem Moment kein Bildsymbol für die Zeit eingefallen ist.
- Am Anfang, als der Typ am Schreibtisch auf den Wecker starrt, wackelt eure Kamera auf dem Stativ.
- Als er den Wecker dann hoch nimmt, blendet ihr nochmals auf das Ziffernblatt über, das ist redundant. Über das Ticken hört man, dass die Zeit verrinnt, das hätte genügt. Umschnit auf Ziffernblatt weglassen.
- Von der zeitlichen Logik des Ablaufs, als euer Darsteller hinterm Schreibtisch sitzt, ist es draußen dunkel, und er sitzt offensichtlich am späten Abend dort. Die nächste Szene (Villach) zeigt 16:01, wie kommt der Zeitsprung zustande? Er ist nicht in die Logik des Films eingebaut.
- Auf dem Bahnsteig ist der Typ nicht mehr zu sehen, warum? Der Bahnsteig ist ein zu schwaches Symbol für vergehende Zeit. Ich verliere hier als Zuschauer das Verrinnen der Zeit aus meinem Seh-Empfinden.
- Warum läuft der Mann auf dem Parkplatz nochmals zu seinem Auto zurück? Soll es das Abgehetzte zeigen? Auch der Statist mit dem Rollkoffer ist recht dominant, ohne eine sichtbare Funktion zu haben. Ihr fokussiert nicht auf den Akteur, man schaut dem umkippenden Rollkoffer hinterher, und verliert sich, da hilft dann auch der Effekt nicht mehr.
- Warum wechselt der Akteur dann den Bahnsteig? Sehr lange Szene, auch hier scheint der Effekt als Krücke, um die verrinnende Zeit zu zeigen.
- Mann könnte die donnernden Schritte, wenn er die Treppe runterläuft, mit dem Ticken der Uhr synchronisieren.
- Der Protagonist verpasst wieder einen Zug. Das hatten wir schon so ähnlich (Zug war schon weg). Und es wirkt nicht lakonisch genug, um verrinnende Zeit zu verdeutlichen.
- Die Szenen in der Küche sind vom Bildaufbau etwas langweilig und zu lange.
- Warum plötzlich eine neue Überblend-Technik ins Schwarze? Das Verrinnen der Zeit müsste bildlich umgesetzt werden.
- Umschnitt auf Eieruhr sehr schön, auch der Ton.
- Starker Farbwechsel von der Kochplatte zum Tisch. Kochplatte eher geringer Kontrast, wenig Farbe, dann der satte Warmton des Tisches. Das sieht man zwar, scheint sich für mich aber nicht richtig in die Story einzufügen.
- Der Schnitt durch die Zeit/Ei (toll!), doch, und jetzt ist es plötzlich zu früh (Ei zu weich)? Hm, der Zeit-Wechsel - immer zu spät, jetzt zu früh - kommt etwas unvermittelt, wird nicht mehr aufgenommen und fügt sich nicht so recht an die vorhergehenden Szenen. Auch die lange Zoomfahrt?
- Dann wieder am Schreibtisch, es ist noch später am Abend. Aber wann fing alles an? Und warum klingelt ein Wecker abends auf dem Schreibtisch? Schläft der immer im Büro? Aber das wäre ne ganz andere Story.
- Er wirft die Stechkarte weg und entsagt dem Diktat der Zeit, aber, wenn er so souverän gegenüber der Zeit ist, warum hat er sich dann vorher am Schreibtisch einen Wecker gestellt? Da erschien er eher als Sklave der Zeit.
Hallo,
das liest sich jetzt alles sehr harsch und knurrig. Trotz der ganzen Kritik, mit hat der Streifen gefallen. Das sage ich nicht, um das Geschriebene zu relativieren. Eher um dir von einem angenehm überraschten Zuschauer eine Rückmeldung zu geben.
Beste Grüße, Rod